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Intuitives und erlerntes Essverhalten im Urlaub – Wo es sich zeigt und wie du es für dich Zuhause nutzen kannst

Urlaub ist die Zeit des Loslassens. Frei vom Arbeits- und Alltagsstress, vor einer anderen Kulisse, mit neuen Möglich- und Annehmlichkeiten. Die meisten von uns lassen im Urlaub auch von ansonsten herrschenden Ernährungsregeln ab oder lassen sie wenigstens locker.

Dieses Loslassen in der Ernährung, ob jetzt gewollt, weil ihr eine Rundum Versorgung mit Buffet habt oder erzwungen, weil ihr euer gängiges Angebot nicht abbilden könnt, öffnet Raum zum Spüren, zum Experimentieren und zum Kennenlernen.

Auch unsere Kinder merken schnell, dass im Urlaub gewisse Regeln losgelassen werden und reagieren darauf auf unterschiedlichste Weise. Der neue Raum kann Neugier entfesseln, aber auch einschüchtern und nach Altbewertem suchen lassen. Er kann Verzichtsgefühle aufzeigen oder auch eingefahrene Alltagsmuster vor der Urlaubskulisse besonders deutlich hervortreten lassen.

Lass es zu und lass los. Sammel die Eindrücke wie Souvenirs, betrachte sie und entscheide Zuhause, welche Erkenntnisse zu eurem Familientisch ihr euch aus den Urlaubserfahrungen mit nach Hause nehmen möchtet.

Es spielt eigentlich keine Rolle, ob du nach Nah oder nach Fern verreist. Selbst in Deutschland, ein Bundesland weiter kann es dir passieren, dass du im Supermarkt schon aus deinen gewohnten Bahnen ausbrechen musst. Mit gewohnten Bahnen meine ich die Supermarktaufteilung, die dich dazu zwingt die Augen offen zu halten, um zu finden, was du begehrst.

Offene Augen führen dabei automatisch dazu, dass du mehr Impulse aufnimmst und so mancher visueller Impuls trifft dich vielleicht auch in der Magengegend, lässt dich Appetit verspüren.

Je weiter du dich in unbekannte (Urlaubs)gebiete vorwagst, desto mehr musst du dich gezwungenermaßen auf die Optik, den appetitlichen – oder auch nicht – Eindruck verlassen. Hier wird deine Körperintelligenz in besonderem Maße angesprochen.

Je weniger zu verstehst, zum Beispiel auf Grund der Sprachbarriere, desto länger musst du dich mit dem Angebot mit all deinen Sinnen beschäftigen. Desto mehr hörst du und vertraust du auf dein Bauchgefühl, auf deine Erfahrungswerte und Assoziationen, die dir Appetit und Bekömmlichkeit suggerieren oder eben nicht.

Es ist ganz logisch, dass andere Zutaten ein neues Gericht ergeben und hier liegt die Chance für Neugier bei dir und deiner Familie und neue Impulse, die du mit nach Hause nehmen kannst.

Das kleine Körperintelligenz Training im Supermarkt funktioniert aber auch wunderbar, ohne zu verreisen. Es kann schon reichen seinen Stammsupermarkt mal durch einen anderen zu tauschen oder zur Abwechslung in arabischen oder asiatischen Supermärkten einkaufen zu gehen, um neue Impulse wahrzunehmen.

Fischtheke im mallorquinischen Supermarkt
regionale und heimische Einkaufsausbeute im Ausland

Camping Küche - Weniger ist mehr

Camping – die Königsdisziplin im Kochen (wenn du mich fragst). Denn zusätzlich zu dem eben beschriebenen Herausforderungen des Angebots vor Ort, bist du beim Camping auch noch räumlich und technisch eingeschränkt.

Auch das führt dazu, dass du umdenken musst bei der Zubereitung und automatisch neue bzw. abgewandelte Gerichte entstehen.

Vielleicht hast du nur eine statt vier Kochstellen und musst gezwungenermaßen One-Pot Gerichte anbieten. Vielleicht ist es bei euch üblich alle Soßen zu pürieren, aber der Pürierstab oder Thermomix ist eben nicht Teil des Campingabenteuers.

Camping zwingt uns dazu, es schlicht zu halten, die Gegebenheiten zu akzeptieren und zu improvisieren. Das kann dazu führen, dass bisher zur Ablehnung Verdammtes, wie stückige Soßen oder Eintöpfe auf einmal probiert, vielleicht sogar mit Appetit gegessen werden.

Dies kann natürlich an der befreiten Umgebung oder am großen Hunger liegen, der bei Aktivitäten draußen entsteht. Aber vielleicht auch daran, dass du Zuhause schon ein klein wenig aufgegeben hast, einige Dinge oder Darreichungsformen anzubieten, nach der Vielzahl der Ablehnung. Total nachvollziehbar und umso schöner, wenn in der Camping Küche aus der Not und Schlichtheit des Seins eine positive Ess-Erfahrung geboren wird, die ihr mit nach Hause nehmt.

Das Leben der Anderen

Seid ihr schon mal mit anderen Familien in den Urlaub gefahren? Vielleicht in ein gemeinsames Ferienhaus? Von jetzt auf gleich werden unterschiedliche Familientische zusammengerückt und in diesem Zusammensein zeigen sich Unterschiede, die uns sonst nie aufgefallen wären. Es ist spannend zu beobachten, wie andere Familien rund um den Esstisch agieren und vor allem, was dort so auf den Tisch kommt. Aus erster Hand kannst du erfahren, was z.B. der „weltbesten Bolognese“ zu ihrem Ruf verhilft oder wie du ruck zuck ein warmes Porridge mit Bananen und Haferflocken fürs Frühstück zubereitest. Es kann eine tolle Inspiration sein, zu sehen, was Freunde auf den Tellern haben und was sie für ihre Familien kochen. Das gilt übrigens auch für Kinder, die durch Imitation lernen. Zu sehen, wie Andere etwas probieren kann die Sorge von Unbekanntem reduzieren und zum Probieren einladen. So kann es passieren, dass neben tollen Erinnerungen an gemeinsame Mahlzeiten auch neue, vor Ort erprobte Gerichte bei euch Zuhause Einzug finden.

Guacamole, Serrano und Tomate auf Toast nach Onkel Philipp

Das Buffet - All you can (withstand not to) eat

Es gib keinen Ort an dem wir und unsere Kinder besser auf unsere Körperintelligenz hören könnten, als an einem Buffet. Nirgends gibt es gleichzeitig so eine Vielfalt angeboten, die wir betrachten, auf uns wirken und entsprechend unserer Intuition Menge und Zusammenstellung wählen könnten.

Alles kann – Nichts muss. Soweit die Theorie.

In der Praxis lüftet der Umgang am Buffet aber so manche verborgene Glaubenssätze und Essmuster. Wenn du dich traust ehrlich mit dir zu sein und genauer hinzusehen, können Beobachtungen am Buffet dir helfen im Alltag mit deinem und dem Essverhalten deiner Kinder anders umzugehen.

Zum einen sehen wir uns verleitet alles probieren und möglichst viel „rauszuholen“, wobei Sättigungssignale schnell übergangen werden. „All you can eat“ wird dabei manchmal wie eine Kampfansage verstanden und auch der im Urlaub präsente Gedanke des Gönnjamins spielt eine Rolle. Im Urlaub wird sich belohnt und Verzicht, der vielleicht über das gesamte Restjahr geübt wurde, möchte aufgeholt und kompensiert werden.

Das betrifft im Übrigen auch unsere Kinder, die angesichts eines Buffets, bei dem alle Speisen egal ob Salat, Pommes, Obst oder Nachtisch gleichwertig angeboten werden, oft zunächst dort zuschlagen, wo Zuhause aus ihrer Sicht zu oft der Verbotsdaumen drauf ist. Dabei wird ein etwaigen Verzicht erstmal abgebaut und dann, ja dann, könnten sie mit offenen Augen die bunte Vielfalt erst wirklich wahrnehmen und entsprechend ihrer Körpersignale frei wählen. Voraussetzung ist, dass du es schaffst bis zu diesem Moment gelassen und im Vertrauen zu bleiben und nicht (wieder) einen Riegel vor z.B. die Pommes zuschieben.

Buffet Pommes Nuggets
Das Buffet - unendliche Möglichkeiten
Körperintelligenz und Essverhalten zu beobachten

Neu ist nicht immer besser - anders ist nicht immer gut

Während die meisten Erwachsenen sich auf neue Eindrücke, Abenteuer und kulinarische Highlights im Urlaub freuen, reagieren Kinder ganz unterschiedlich auf neue Situationen. Manche Kinder gehen voll mit, eifern den Großen nach und probieren. Manche ereifern sich dermaßen für lokale Spezialitäten wie Muscheln, dass solche eher Kinder untypischen Gerichte, Zuhause mit dem positiven Erleben im Urlaub assoziiert werden und weiterhin schmecken. Für viele andere Kinder kann die Vielzahl an neuen und unbekannten Eindrücken dazu führen, dass sie mit Blick auf ihre Nahrungswahl besonders stark „fremdeln“.

Das kann besonders im Urlaub, wo das Angebot und die Möglichkeiten unter Umständen eingeschränkt sind, eine sehr große Herausforderung für Eltern sein.

Auch mein Kind gehört in den meisten Fällen im Urlaub in die zweite Kategorie.

Versuche eine nachsichtige und verständnisvolle Haltung dafür zu entwickeln, dass kleine Menschen Anker brauchen. Für sie ist im Außen alles anders als Zuhause. Die Umgebung, das Klima, der Lebensmittelpunkt, der Tagesablauf, vielleicht sogar die Sprache. Das alles kann Abenteuer genug sein, sodass Kinder beim Blick auf den Teller nicht (mehr) bereit sind weitere Abenteuer in Kauf zu nehmen.

Versuche dich davon freizumachen, dass dein Kind auf Grund von temporärer einseitiger Ernährung im Urlaub einen bleibenden Nährstoffmangel davon trägt.

Versuche stattdessen deinem Kind Vertrauen zu schenken, vor allem auch in seine eigene Körperintelligenz. Wenn dir das gelingt, schaffst du Akzeptanz und damit Sicherheit, die damit den nötigen Anker setzen kann, den es gerade braucht.

Sei dabei aber auch nachsichtig mit dir, wenn es dir das nicht auf Anhieb gelingt. Denn diesen liebevollen und leitenden Gedanken darfst du wie ein Andenken (im wahrsten Sinne des Wortes) aus dem Urlaub mit nach Hause nehmen und dort weiter tragen. 

2 Antworten

  1. Danke für diesen tollen Beitrag.
    Urlaub ist eine wundervolle Gelegenheit, eingefahrenen Routinen zu durchbrechen.

    Die Vermischung mehrerer Familientische finde ich einen besonderen Aspekt. Haben wir selbst diesen Sommer auch so erlebt und seit dem werden hier plötzlich sehr gerne Gurken mit Frischkäse gegessen…

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